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Flexible Integration statt Kerneuropa

Da die wachsende Heterogenität der Mitgliedstaaten die gemeinschaftliche Politikgestaltung weiter erschweren wird, ist es durchaus sinnvoll, Formen der differenzierten Integration zuzulassen. Fischers Vorstellungen zielen hier auf ein Kerneuropa oder ein Europa der Avantgarde, also eine feste Gruppe von Staaten, die enger zusammenarbeiten und eine vertiefte Integration anstreben. Ein Nachteil dieses Konzepts ist, daß es eine Zwei-Klassen-Föderation schafft, weshalb diese Vorstellung auch von den Beitrittskandidaten abgelehnt wird. So hat der ungarische Außenminister Janos Martonyi ein Kerneuropa als "tödlich für die Integration" bezeichnet. Hubert Védrine hat auf weitere Probleme schon verwiesen: Wie wären die Mitglieder des Kerns auszuwählen? Was bleibt von der Lösung des Kerneuropa, wenn -wie Fischer betont- der Zugang zum Kern offen bleiben muß und alle Mitgliedstaaten dem Kern angehören wollen? Politisch weniger brisant wäre eine Lösung, die die flexible und funktionale Kooperation verschiedener territorialer Einheiten erlaubt. Bezogen auf eine Politik oder eine Aufgabe könnten sich je verschiedene Gruppen von Mitgliedstaaten zu einem Regulierungsraum zusammenschließen. Die Ausdehnung dieses Raums ergäbe sich aufgrund des zu lösenden Problems (so könnten z.B. die Alpenstaaten Tourismusprobleme oder die Rheinanrainer Wasserqualitätsprobleme gemeinsam lösen) oder aufgrund politischen Willens (wie bei der Währungsunion). Solche Kooperationen sollten auch für subnationale Einheiten, wie die deutschen Länder oder kommunale Körperschaften ermöglicht werden. Ein Vorbild könnten hier die amerikanischen special districts sein, Zweckverbände kommunaler Körperschaften zur Lösung bestimmter Aufgaben, die in der Regel Steuerhoheit haben und deren Spitzenbeamte oft direkt gewählt werden. Die Einrichtung solcher mitgliedstaatlicher oder grenzüberschreitender Kooperationen subnationaler Körperschaften müßte im Föderationsvertrag geregelt werden. Grundlage könnte die im Amsterdamer Vertrag geschaffene Möglichkeit der "verstärkten Zusammenarbeit" sein. Eine Ausweitung auf subnationale Einheiten und die Lockerung der Bedingungen für die verstärkte Zusammenarbeit (keine Mindestzahl der Mitglieder, kein Vetorecht einzelner Mitgliedstaaten) könnte solche flexiblen und differenzierten Formen der Integration ermöglichen.


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