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Ein Zwei-Kammer-System

Damit ein solches System aus direkt gewählter und föderativer Kammer funktionsfähig ist, muß zunächst die Kompetenzabgrenzung zwischen Rat und Parlament neu überdacht werden. Das heute in Teilen bereits praktizierte Mitentscheidungsverfahren, bei dem Parlament und Rat in gleicher Weise an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, sollte grundsätzlich auf alle Bereiche europäischer Politikgestaltung ausgedehnt werden. Dies bedeutet eine Ausweitung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments und damit eine verbesserte demokratische Legitimation europäischer Politik. Ausnahmen von diesem Grundsatz bleiben auf wenige Bereiche beschränkt, die der Entscheidung durch den Rat vorbehalten sind und in denen das Parlament lediglich im Wege des Konsultationsverfahrens zu beteiligen ist. Dies betrifft etwa die Außen- und Sicherheitspolitik, die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit, Entscheidungen über finanzielle Umverteilungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie Änderungen der Vertrags- und Verfassungsgrundlagen der Europäischen Föderation.

Ebenfalls reformbedürftig sind die Regeln für die Wahl und Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. Neben einem einheitlichen europäischen Wahlrecht müssen Veränderungen insbesondere auf eine gleichmäßigere Repräsentation der Bevölkerung abzielen und bestehende Ungleichgewichte im Verhältnis zwischen Bevölkerungszahl und Abgeordnetenzahl der einzelnen Mitgliedstaaten ausgleichen. Dasselbe gilt für die Stimmgewichtung im Europäischen Rat. Die bisherige Übergewichtung der kleinen Länder mag ihren Sinn gehabt haben, als es darum ging, ein ausgewogenes Kräfteverhältnis herzustellen zwischen wenigen Kleinen und wenigen Großen in einer Union mit sechs, 12 oder vielleicht auch noch 15 Mitgliedern. Sie wird zu unvertretbaren Verzerrungen führen, wenn wir es mit über 20 kleinen und wenigen großen Mitgliedstaaten zu tun haben. Dies dürfte wohl auch die Stoßrichtung des Vorschlages von Gerhard Schröder sein, künftig im Rat nach dem Prinzip der "doppelten Mehrheit" abzustimmen. Beschlüsse können demzufolge nur gefaßt werden, wenn sie von einer Mehrheit der Mitgliedstaaten unterstützt werden und diese Mitgliedstaaten gleichzeitig die Mehrheit der europäischen Bevölkerung repräsentieren.

Die gerechtere Repräsentation nationaler Interessen im Entscheidungsverfahren sichert für sich allein jedoch noch nicht die politische Handlungsfähigkeit der EU. Hierzu bedarf es der Änderung der bestehenden Entscheidungsregeln. Dies gilt insbesondere für die Abstimmungen im Europäischen Rat. Die Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips ist auf Regierungskonferenzen und Verfassungsfragen zu beschränken. Denn die Anwendung der Einstimmigkeitsregel setzt ja die Stimmgewichtung wieder außer Kraft. Abgesehen von diesen Ausnahmebereichen, sind Entscheidungen grundsätzlich mit qualifizierter oder mit einfacher Mehrheit zu treffen, wobei die jeweiligen Anwendungsbereiche noch genauer zu festzulegen wären.


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